am anfang der alten eidgenossenschaft


„Glaube nichts auf bloßes Hörensagen hin; glaube nicht an Überlieferungen, weil sie alt sind.”

Siddhartha Gautama (Buddha, 560 - 480 v. Chr.)


Im Vordergrund ragen die Mythen-Spitzen ins Bild, die das Alpthal vom Talkessel Schwyz (rechts) trennen. Zankereien um Land- und Wasserrechte in den Täler hinter dem Mythen-Druesberg-Massiv sollen laut Geschichtsschreibung zum 250 Jahre andauernden Marchenstreit zwischen dem Kleinstaat Schwyz und den Klosterherren aus Einsiedeln geführt haben.


Der Keltische Stamm der Helvetier - im etruskischen Alphabet eluveitie

Die Region um den Vierwaldstättersee war stets Grenzgebiet und über Jahrhunderte umstritten. Keltische Stämme siedelten am Nordrand der Alpen und unternahmen regelmässig Streifzüge in das römische Reich südlich der Alpen. Die Eroberung Galliens durch Caesar beendete auch die Unabhängigkeit der Helvetier.

Das heutige Gebiet vom Kanton Schwyz lag zum grösseren Teil in der römischen Provinz "Germania Superior" und grenzte an die Provinz "Raetia".

 

Archäologische Funde zeigen, dass es nach der Zeit Caesars zu einer regelrechten Nachblüte der keltischen Kultur in der Schweiz kam. Weite Teile der heutigen Schweiz wurden nach dem Rückzug der Römer durch Südgermanische Allemannen besiedelt.

Im Hochplateau zwischen den Flüssen Sihl und Alp  existierte ein Naturheiligtum (Nemeton, heiliger Hain) mit heiligen Quellen. Der Volkssage nach lebten hier Waldschwestern, die dem umherstreifenden Eremiten Meinrad aus dem Hause Hohenzollern freundlich gesinnt waren und ihm 2 Raben sowie eine Göttinen-Figur überreichten. In der Folge kamen hier Geistliche Katholiken aus ganz Europa zusammen, um den Volksglauben der "schwarze Naturgöttin" durch den "Fremden am Kreuz" zu ersetzen.

 

Hier beginnt die Geschichte  der Schweizer Eidgenossenschaft

Das enge Verhältniss zwischen Staat und Kirche bezeugt den Erfolg der Römischen Katholiken über die Heiden. Auch die späteren Reformationen und die damit einhergehende geistige Verwirrung sorgte für das Vergessen der alten Kultur mit den heiligen Quellen. Das Sihlseeli gilt als Ursprung der Sihl, einem Voralpenfluss, der in Zürich in die Limmat mündet, weiter in die Aare, Rhein und Nordsee fliesst. Der Bergsee auf 1900 müM hat nur einen unterirdischen Abfluss, darum entspringt die Sihlquelle etwas weiter westlich, am Nordosthang des Drusbergs auf 1800 müM. Der Name Sihl soll aus dem Keltischen stammen und „Stärke“ bedeuten. Auffallend ist, dass heute noch die Wasserfläche des Sihlseelis. dem Kloster gehört, das Ufer aber bereits zur Oberallmeind-Korporation Schwyz.


Oberallmeind-Korporation Schwyz

 

Die früheste Urkunde datiert auf den 10. März 1114 wo der Name der Korporation erstmals erwähnt wird. Aus dieser Urkunde von Kaiser Heinrich V. ist zu entnehmen, dass sich die Schwyzer mit Bezug auf gemeinschaftlichen Grundbesitz schon genossenschaftlich geeinigt hatten. Damit ist die Oberallmeind-Korporation älter als das Bündniss der 3 Talschaften Uri, Schwyz und Nidwalden durch den Bundesbrief von 1291.


Die freien Bauern von Schwyz

 

Am Anfang der alten Eidgenossenschaft rodeten und besiedelten freie Schwyzer Bauern Gebiete nördlich des Grossen Mythen und Druesberg. So kamen sie in Konflikt mit dem Kloster Einsiedeln bzw. dessen Schutzherren aus dem Hause Habsburg, die auch ihr Herrschaftsgebiet an die Quellen der Sihl und der Alp ausdehnen wollten. Der Marchenstreit gilt als einer der Gründe für den Bundesbrief von 1291 und Auslöser der Schlachten mit dem Hause Habsburg. Der Marchenstreit begann mit der Übertragung des Gebietes im heutigen Ybrig und Alpthal vom römisch-deutschen Kaiser Heinrich II an das Kloster Einsiedeln bzw. dessen Abt Wirunt. Wie intensiv das Kloster die Ländereien in den Voralpentäler kolonisierte, ist unklar. Sicher ist, dass Gebiete gerodet wurden.


Die aufmüpfigen Schwyzer

Über Generationen lagen die Schwyzer mit den Mönchen im Streit und kämpften um die Wälder und heiligen Quellen. Der Sage nach flammte der Konflikt nach 1300 erneut auf, so dass die Klosterbewohner bei Gericht die Exkommunikation der Schwyzer verlangten. Dem Kirchenbann wäre nach einiger Zeit die Ächtung gefolgt, doch Kaiser Heinrich VII verstarb im August 1313. Bevor seine Nachfolge geregelt war, überfielen die Schwyzer in der Dreikönigsnacht 1314 das Kloster Einsiedeln. Gemäss brauchtümlicher Form der Heimsuchung drangen die Schwyzer ins Kloster ein, plündern Küche und Keller, verbrannten Dokumente und Bücher, entweihten das Gotteshaus durch Schabernack und führten die Mönche unter wüsten Drohungen, aber ohne Misshandlungen, gefangen nach Schwyz.  Nach dem Überfall auf das Kloster Einsiedeln machte sich in Schwyz Angst und Sorge breit. Den Schwyzer wurde klar, dass sie die Habsburger als Kastvögte des Klosters Einsiedeln durch ihre Tat zum Handeln herausgefordert hatten. Schwyz liess die Mönche frei und bereitete sich auf einen Krieg vor. Die "Bündnisspartner" Uri und Unterwalden hielten sich zurück und gingen im Juli 1315 mit Österreich einen Waffenstillstand ein.

 

Der planlose Kleinkrieg, der bereits im Frühjahr 1315 einsetzte, führte zu keiner Entscheidung. So bleibt der Streit monatelang in der Schwebe. Habsburg war im Augenblick, als es mit aller Macht im Marchenstreit einschreiten sollte, mit gewichtigeren anderweitigen Problemen beschäftigt. Die Dynastie wolle nämlich versuchen, die Nachfolge des im Herbst 1313 verstorbenen Kaisers anzutreten. Dies gelang Habsburg nur halbwegs, denn es kam zur Doppelwahl von Ludwig dem Bayern zum römisch-deutschen König und dem Habsburger Friedrich dem Schönen von Österreich zum Gegenkönig. Die Schwyzer stellten sich auf die Seite Ludwigs IV.

 

Im Sommer 1315 begann Österreich unter der Leitung von Herzog Leopold, dem energischeren Bruder Friedrichs, mit den Vorbereitungen für einen grossen Schlag. Im Herbst 1315 sammelte Leopold sein Heer in Zug, beabsichtigt aber nicht, nach Schwyz zu ziehen, sondern marschiert dem Ägerisee entlang direkt in das von Schwyz besetzte Gebiet des Klosters Einsiedeln. Mit der Vertreibung der Schwyzer vom klösterlichen Boden sollte der Marchenstreit ein für alle Mal zugunsten des Klosters und Österreichs entschieden werden.
Das Heer, voran die Ritter und hinten das Fussvolk, marschierten den Ägerisee entlang gegen den Übergang am Sattel. Von den Höhen beim Morgarten aus brach der Überraschungsangriff der Schwyzer über das Ritterheer herein. Offenbar waren die Schwyzer über die Absicht der Gegner informiert. Steinwürfe trieb die berittenen Marschkolonne durcheinander, Halbarten fügen den unvorbereiteten Gegnern schwere Verluste zu und das Heer löste sich in wilder Flucht auf. Der Marchenstreit ging auch nach der Schlacht am Morgarten weiter und erst am 8.2.1350 wurde der endgültige Friede im rund 250 Jahre dauernden Marchenstreit erklärt. Damit hatte auch das Gebiet des "Alten Landes Schwyz" bzw. der Oberallmeind-Korporation die heutigen Grenzen erreicht.


Der Bundesbrief im Bundesbriefmuseum in Schwyz.

Die  C14-Methode datiert das Pergament auf den Zeitraum von 1252 und 1312. Im Inhalt des Briefes ist zu lesen: „Zu Anfang des Monats August 1291“. Ist der 1. August 1291 tatsächlich der echte Gründungstag der Alten Eidgenossenschaft? Als erwiesen gilt, dass der Historiker Wilhelm Oechsli (1851-1919) eigenmächtig das Datum auf den 1. August festlegte. Zudem ist in keiner Weise ein Bündnis politischer Art erwähnt, auch fehlen Hinweise, dass die Unterzeichner eine Loslösung vom damals herrschenden Haus Habsburg wollten.

 

Deutsche Übersetzung des lateinischen Bundesbriefes von 1291:

«In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde. 
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Darum haben alle Leute der Talschaft Uri, die Gesamtheit des Tales Schwyz und die Gemeinde der Leute der unteren Talschaft von Unterwalden im Hinblick auf die Arglist der Zeit zu ihrem besseren Schutz und zu ihrer Erhaltung einander Beistand, Rat und Förderung mit Leib und Gut innerhalb ihrer Täler und ausserhalb nach ihrem ganzen Vermögen zugesagt gegen alle und jeden, die ihnen oder jemand aus ihnen Gewalt oder Unrecht an Leib und Gut antun. 
- 
Und auf jeden Fall hat jede Gemeinde der andern Beistand auf eigene Kosten zur Abwehr und Vergeltung von böswilligen Angriff und Unrecht eidlich gelobt in Erneuerung des alten, eidlich bekräftigten Bundes, - jedoch in der Weise, dass jeder nach seinem Stand seinem Herren geziemend dienen soll. 
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Wir haben auch einhellig gelobt, und festgesetzt, dass wir in den Tälern durchaus keinen Richter, der das Amt irgendwie um Geld oder Geldeswert erworben hat oder nicht unser Einwohner oder Landmann ist, annehmen sollen. - Entsteht Streit unter Eidgenossen, so sollen die Einsichtigsten unter ihnen vermitteln und dem Teil, der den Spruch zurückweist, die anderen entgegentreten. 
- 
Vor allem ist bestimmt, dass, wer einen andern böswillig, ohne Schuld tötet, wenn er nicht seine Unschuld erweisen kann, darum sein Leben verlieren soll und, falls er entwichen ist, niemals zurückkehren darf. Wer ihn aufnimmt und schützt, ist aus dem Land zu verweisen, bis ihn die Eidgenossen zurückrufen. 
- 
Schädigt einer einen Eidgenossen durch Brand, so darf er nimmermehr als Landmann geachtet werden, und wer ihn in den Tälern hegt und schützt, ist dem Geschädigten ersatzpflichtig. 
- 
Wer einen Eidgenossen beraubt oder irgendwie schädigt, dessen Gut in den Tälern soll für den Schadenersatz haften. 
- 
Niemand soll einen andern, ausser einen anerkannten Schuldner oder Bürgen, pfänden und auch dann nur mit Erlaubnis seines Richters. 
- 
Im übrigen soll jeder seinem Richter gehorchen und, wo nötig, den Richter im Tal, vor dem er zu antworten hat, bezeichnen. 
- 
Gehorcht einer dem Gericht nicht und es kommt ein Eidgenosse dadurch zu Schaden, so haben alle anderen jenen zur Genugtuung anzuhalten. 
- 
Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen. 
- 
Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben. Zu Urkund dessen ist auf Verlangen der Vorgenannten diese Urkunde gefertigt und mit den Siegeln der drei vorgenannten Gemeinden und Täler bekräftigt worden. Geschehen im Jahre des Herrn 1291 zu Anfang des Monats August.»

 

Quelle: Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Abt. 1, Urkunden Bd. 1, Aarau 1933.


Weitere Bündnisse mit Kleinstaaten

 

Der Morgartenkrieg hat die wirtschaftliche und politische Schwäche des Dreiländerbundes deutlich aufgezeigt. Die Abhängigkeit von der Einfuhr lebensnotwendiger Güter wie Getreide, Salz, Wein oder Eisen kann die Waldstätten bei einem längerfristigen Handelsembargo an den Rand des Zusammenbruches bringen. Nach dem Abschluss des Waffenstillstandes mit Oesterreich im Jahre 1318 suchen die Eidgenossen Anschluss an mögliche Bündnispartner, was allerdings in Widerspruch zu den Waffenstillstandsbedingungen steht. Denn diese gestatten nur der Herrschaft Oesterreich, weitere Bündnisse einzugehen. Dessen ungeachtet verbinden sich schon 1323 die Urner, Schwyzer und Unterwaldner erstmals mit Bern und Glarus. 1327 treten sie dem grossen Landfriedensvertrag der rheinischen Städte bei und gliedern sich damit in ein Bündnissystem ein, das von Mainz bis an den Bodensee reicht. "Ewige", das heisst unbefristete Bündnisse werden 1332 mit Luzern, 1351 mit Zürich, 1352 mit Glarus und Zug, 1353 - in Erneuerung des Vertrages von 1323 - mit Bern geschlossen. So bildet sich um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Eidgenossenschaft der "Acht Alten Orte". Eine territoriale Abgrenzung gegen Oesterreich bedeutet dieses Bündnissystem zunächst noch nicht. Luzern und Zug anerkennen in ihren Bundesbriefen die österreichischen Herrschaftsrechte, der Glarner Bund berührt die habsburgische Landeshoheit gar nicht, und Bern behält sich 1353 mit den übrigen Bündnisverträgen auch das Bündnis mit Oesterreich vor.


Geistige Landesverteidigung - Zur Stärkung der nationalen Identität    Quelle: bundesbrief.ch

Das Bundesbriefmuseum wurde 1936 in erster Linie für ein einziges Objekt erbaut: den Bundesbrief von 1291. Dieses Dokument galt als Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft und wurde im eigens errichteten Gebäude fast wie ein Nationalheiligtum verehrt.

Schwerwiegende politische und wirtschaftliche Krisen hatten in den 1930er Jahren Europa erschüttert. Die Machtergreifung Hitlers  wurde auch in der neutralen Schweiz als existentielle Bedrohung empfunden. In dieser Krisenzeit entstand in der Schweiz die «Geistige Landesverteidigung». Diese war geprägt von einer intensiven Besinnung auf alles «Schweizerische» in Geschichte, Politik und Kultur. Als typisch schweizerisch verstandene Werte wie kulturelle Vielfalt, Demokratie, Freiheitswille und Unabhängigkeit wurden den faschistischen und nationalsozialistischen Totalitarismen entgegen gestellt.

 

Der Bundesbrief von 1291 verkörperte und symbolisierte all diese Werte. Es überrascht darum nicht, dass er in der Zeit der Geistigen Landesverteidigung fast wie ein Nationalheiligtum verehrt wurde. Der Architekt des Bundesbriefmuseums, Josef Beeler, erklärte denn auch, er habe für das Nationalheiligtum der Schweiz eine Kathedrale errichten wollen. Im Ausstellungssaal des Bundesbriefmuseums wurde der Bundesbrief in einer «Altar des Vaterlandes» genannten Vitrine präsentiert. Der Bundesbrief und sein Museum waren zu einem Zentrum der Geistigen Landesverteidigung geworden.

 

Mit dem gesellschaftlichen Aufbruch Ende der 1960er-Jahre geriet auch das traditionelle Schweizer Geschichtsbild ins Wanken. Der Bundesbrief von 1291 galt nicht mehr länger als Gründungsurkunde der Eidgenossenschaft. Ihm wurde seine herausragende Bedeutung abgesprochen. Er wurde aus seiner Vitrine und damit vom «Altar des Vaterlandes» geholt und in einer Ringvitrine neben andere Bündnisse und Urkunden gelegt – als einer unter vielen.